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In einem Brief von 1553 an Domenico
Bollani beschrieb Giulio Savorgnan die starken Positionen der
friulanischen Grenzen: Sacile im Westen, Marano im Süden, Osoppo
im Norden. Eine Schwachstelle war die vielleicht gefährlichste
Seite, die gegen das Kaiserreich, da Gradisca die von der
Republik 1479 gewollte Festung, die sich im Osten an richtiger
Stelle befand, sodass „dieses Friaul bestens verteidigt war“
nunmehr seit Jahrzehnten nicht mehr in venezianischer Hand
war und seit 1511 dem Kaiserreich angehörte. So wie auch Görz,
das mit dem Tod des letzten Grafen Leonardo (Ý1500) an die Habsburger
gefallen war. Man benötigte daher in diesem Bereich ein Bollwerk,
denn zwischen Görz und Gradisca ist zweifellos „das große Tor
für alle, die nach Italien wollen, für die Türken ebenso wie
für die Deutschen“. Die Bedrohung durch die Türken war auch
der Vorwand für Venedig, eine mächtige Festung zu errichten,
die jedoch vor allem den Gelüsten eines unbequemen Nachbarn
einen Riegel vorschieben sollte. Im Herbst 1593 wurde nach einigen
Besichtigungen durch venezianische Techniker und Beamte, die
sich in Strassoldo versammelt hatten, der Standort gefunden.
Der historische Moment wurde für die Nachwelt von Ettore, einem
der Kastellane, in seinen Erinnerungen festgehalten: am 14.
Oktober 1593 schreibt er entsandte die Signoria von Venedig
ihre Vertreter nach Friaul um eine Festung zu errichten, und
sie kamen in Strassoldo am genannten Tag an, wo sie sich einquartierten;
und diese, nachdem sie viele Orte besichtigt hatten, beschlossen
schließlich am 16. des vorgenannten Monats, so von ihren „Kriegsherren“
beraten, die Festung Palma zu errichten die „in Zeichnung“ von
Giulio Savorgnan „Artilleriegeneral“ der venezianischen Signoria
übergeben wurde; dieser Beschluss wurde im „Saal mit der Steintreppe“
gefasst.
Die neue, mächtige Festung Palma (später „la nuova“ die neue
genannt) mit einer Ausdehnung von rund 540 campi, ist die herausragende
Anlage im friulanischen Verteidigungssystem, das 1420 von der
Serenissima übernommen wurde, ein sehr veraltetes System mit
zahlreichen, mehr oder weniger kleinen Befestigungen aus längst
vergangenen Zeiten (einige aus der Römerzeit und andere sogar aus einer
noch früheren Periode), die oft zur Überwachung von
Kommunikationswegen und Tälern bestimmt waren, die keine strategische
Bedeutung mehr hatten und jedenfalls ungeeignet, den Wirkungen der neuen
Feuerwaffen zu widerstehen, die im Laufe des 16. Jh. immer mehr
verbessert wurden.
Der Beschluss für den Bau der Zitadelle im charakteristischen, sternförmigen
Grundriss mit neun Bollwerken, die ein regelmäßiges, 18-seitiges
Vieleck ergeben, wurde gefasst, nachdem die Alternative einer Verstärkung
der Befestigung von Udine (es existiert ein diesbezüglicher Entwurf von
Giulio Savorgnan) und anderer kleinerer Orte, wie beispielsweise
Strassoldo, verworfen worden war. Wie vorhersehbar, orientierte sich die
Planung an dem Modell der frontseitigen Verschanzung, das je nach natürlichen
Gegebenheiten am Standort und den Anforderungen der Auftraggeber
modulartig erweitert bzw. flexibel geändert werden konnte, ein damals
bereits bewährtes System, das vor allem dank der einschlägigen
Druckwerke große Verbreitung gefunden hatte. Die neue Festung ist daher
vollgültig in eine Konzeption einzuordnen, die den neuen militärischen
Notwendigkeiten Rechnung trägt, sich aber auch an der nie ganz
aufgegebenen Utopie einer „idealen Stadt“ inspiriert, ein Konzept,
mit dem sich die militärische und urbanistische Architektur Europas vor
allem ab dem 16. Jh. stark auseinander setzt. Perfekte Festungen, so
perfekt, dass paradoxerweise ihre Perfektion fast immer zu ihrer
fast dauernden Inaktivität geführt hat; dies war jedoch auch
beabsichtigt, denn ihre Hauptaufgabe bestand darin, den Feinden „ein
Dorn im Auge“ zu sein (nach den Worten von Giulio Savorgnan, Urheber
von Palma), mit anderen Worten, potenzielle Aggressoren einfach durch
ihre Präsenz und vermutete Uneinnehmbarkeit von jeder kriegerischen
Handlung abzuhalten. Die endgültigen Entscheidungen wurden nach einigen
Sinnesänderungen
und mit dem Beitrag zahlreicher Architekten
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getroffen, darunter Vincenzo
Scamozzi, dem die Forschung heute übereinstimmend zumindest die
Urheberschaft am eindrucksvollen Dom zuschreibt, der am zentralen Platz
und Mittelpunkt der Stadt errichtet wurde, sowie der drei monumentalen
Tore, die sich in Richtung Aquileia (das älteste der drei, aus 1598),
Udine und Cividale (vollendet 1605) öffnen und fast eine Verkörperung
dessen darstellen, was von diesem Architekten in seinem Werk Begriff der
militärischen Architektur (Venedig, 1615) allgemein beschrieben wird,
mit dem Hauptdurchgang in der Mitte, den von mächtigen Steinpfeilern
getragenen Gewölben, gutem Ziegelmauerwerk und abgedeckten Unterständen
für Wachmannschaften mit großen offenen Kaminen für das Feuer im
Winter und Waffen; mit robusten äußeren Verzierungen, die der Zeit
und den Angriffen der Feinde standhalten konnten, und vor allem mit schönen
Gesimsen versehen. Die Gliederung der Innenräume der Festung folgt
einem präzisen, theoretischen Konzept: das Arsenal ist neben dem Tor
nach Aquileia angeordnet, daher in der Nähe der Straße nach Venedig
und zum Meer; die gleichmäßig verteilten Kasernen, die sich an den
Befestigungsgürtel fast anlehnen, um die rasche Besetzung des Glacis
durch die Soldaten zu ermöglichen; Repräsentationsbauten und Gebäude
der zivilen und militärischen Institutionen befinden sich am zentralen
Platz. Palma wurde von Anfang an zahlreichen Umbauten unterworfen, vor
allem zur Anpassung der Befestigungsmauern an neue Belagerungstechniken,
die sich vorwiegend durch neue Feuerwaffen entwickelt hatten, so
beispielsweise die Errichtung der Ravelins, die bereits 1645 geplant,
aber erst 1700 fertig gestellt wurden.
Nach der Übergabe an die Franzosen erfuhr die Festung während der
napoleonischen Besatzung (1806-1813) die letzte große Erweiterung ihrer
Befestigungsringe durch neue, vorgeschobene Verteidigungsanlagen und
unterirdische Verbindungsgänge. In dieser Periode fällt auch die
Errichtung von Bauten nach modernen Kriterien, die sich in das Stadtbild
von Palma einfügen, wie neue Kasernen durch Erde geschützte
Bedachungen, um die Wirkung von Bomben zu mildern und mit Brotbackofen
und Kantine ausgestattet und Pulverhäuser, die vorsichtigerweise in
gebührender Entfernung von den Wohngebieten angeordnet wurden.
Auch heute noch gehört Palmanova trotz nicht
immer idealer baulicher Lösungen zu den bedeutendsten Festungen
der Region: die große Ausstellung, die 1993 anlässlich der 400-Jahrfeier
ihrer Gründung veranstaltet wurde, fachte das Interesse für
die sternförmige Stadt in Friaul und ihre unzweifelhaften Schönheiten
von neuem an und stellte gleichzeitig die Verbindung zu anderen,
ähnlich angelegten Festungen in Europa her, ein Beweis für ihre
Rolle als Vorbild und Modell, die von den damaligen Zeitgenossen
so hoch eingeschätzt wurde.
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